Mittwoch, 14. April 2010

Glückliche Katholiken gesichtet!

Erster, zaghafter Versuch einer Entgegnung auf D.Tricks Ostersegen.

Gott oder zumindest die Kirche sind für den denkenden Menschen wohl eine ziemliche Zumutung. Man darf vieles von dem, was uns die katholische Kirche weismachen will, nicht ganz ernstnehmen und kann ohne ihren Gott genauso gut leben, vielleicht sogar unbeschwerter. D.Tricks "Lob der Lauheit" ist so ein Musterbeispiel dafür, wie wir (und vielleicht die meisten, gerade auch die intelligenten Menschen) heute über die Gottesfrage, Religion im allgemeinen und den Katholizismus im besonderen denken wollen: nämlich am liebsten gar nicht mehr; und wie wir dabei unsere Indifferenz beziehungsweise die entschiedene Ablehnung dessen, über das wir nicht denken wollen, paradoxerweise für gut begründet oder gerechtfertigt halten.

Als Schüler eines staatlichen Gymnasiums mit ein bisschen Religionsunterricht fiel es mir zunächst nicht schwer, mich mit der Kirche und der Welt zu arrangieren, also angstfrei mit der "Sünde" zu leben. Dass die Kirche uns mit ihren wunderlichen Geschichten Höllenfurcht einjagen und zu ängstlichen, verklemmten, unglücklichen Menschen machen will - wie D.Trick behauptet -, war mir schlicht entgangen. Die laue Kirche wirkte auf mich genau so, wie D.Trick sie sich wünscht: zahm, belanglos, aber im Grunde ganz nett - wenn nur die verstaubte Sexualmoral und einiges andere nicht wäre. D.Trick will die katholische Kirche durchaus noch am Leben lassen, er wendet sich lediglich gegen eine Form der katholischen Erziehung, die möglicherweise Generationen von Menschen zu seelischen Krüppeln gemacht hat. Im Gegensatz zu einem militanten Atheismus, der in seinem missionarischen Eifer die übelsten Eigenschaften von Christentum und Islam reproduziert (John Gray), wirkt D.Tricks Haltung doch erstaunlich gelassen, liberal und tolerant.

Ganz fair ist es dann aber natürlich nicht, wie hier ein Insider und "Opfer der katholischen Erziehung" mit seiner Kirche abrechnet. Mit dem, worüber D.Trick sich empört, hat der katholische Glaube nämlich so wenig zu tun wie mit dem fliegenden Spaghettimonster. Das Christentum - man kann das auch so sehen - ist der Beginn aller Aufklärung, eine Kultur der Befreiung. Christlichem Denken entsprangen die edelsten Ideen, auch die der Menschenrechte. Nicht wir haben die Kirche gezähmt, sie hat uns gezähmt. Das Evangelium will uns herausführen aus der Diktatur des Geldes und des Machens, und der Katholizismus hat sich da als eine mächtige Gegenkraft gegen alle weltlichen, politischen und wirtschaftlichen Unterdrückungs- und Uniformierungstendenzen erwiesen. Wir brauchen ihn noch. Und keinesfalls eine laue, angepasste Kirche.

Offenbar hat D.Trick den Schritt von seinem naiven, unreflektierten Kinderglauben in ein reiferes Glaubensstadium nicht mehr vollzogen. Denn seine versimpelnd komprimierte Darstellung der Lehre von der Erbsünde und alles folgenden ist wirklich kindisch. Im aktuellen Katholischen Erwachsenenkatechismus von 1985 oder in den Schriften der obersten Glaubenshüter ist dazu etwas anderes, nämlich geistreiches zu lesen. Die katholische Kirche behauptet nicht, dass der Mensch schlecht sei, sie stellt nur fest, dass es für ihn nicht immer leicht ist, richtig zu handeln, obwohl er das Gute erkennen kann. Das ist fein beobachtet. Mit anderen Worten: die Katholiken finden den Menschen "gar nicht mal so schlecht". Insoweit übernimmt D.Trick also das christliche Menschenbild. Schön zu hören, dass dieses nach zweitausend Jahren nun auch noch wissenschaftlich bestätigt sei.

Ach ja, die Wissenschaft. Und der autonome Mensch. Worauf sich sein Vertrauen in eine bessere Ethik ohne Gott stützt, erklärt D.Trick nicht. Er hält es wohl für evident. Die Geschichte der letzten gottlosen hundert Jahre, die grauenvollen Kriege und Pogrome, die erschreckende Zersetzung der Vernunft geben zu so einem Optimismus aber gar keinen Anlass.

Hat der Katholizismus also vielleicht der Menschheit insgesamt objektiv gutgetan und macht den einzelnen trotzdem unfroh? Ich habe einige in sich ruhende, glückliche Katholiken kennengelernt. Aus einer Hoffnung, die man nicht als Vertröstung aufs Jenseits missverstehen darf, schöpfen sie die Kraft für ihr Leben im Hier und Jetzt. Der wirklich gläubige Katholik braucht keine Angst zu haben, weder vor dem Leben noch vor dem Tode. Der katholische Glaube scheint zu halten, was die Psychotherapie nur verspricht. Ich freue mich natürlich für D.Trick, wenn er weder das eine noch das andere benötigt, um glücklich zu sein. Unser Problem ist eher, dass wir nicht einfach glauben können, aber mit allem, was uns dafür als Ersatz angeboten wird, leider auch nicht so recht froh werden.

4 Kommentare:

Tiberius hat gesagt…

Der Beitrag gefällt mir sehr gut. Schön geschrieben, gut zu lesen.

Anonym hat gesagt…

*Dass die Kirche uns mit ihren wunderlichen Geschichten Höllenfurcht einjagen und zu ängstlichen, verklemmten, unglücklichen Menschen machen will - wie D.Trick behauptet -, war mir schlicht entgangen*

Dann hast Du einfach nur Glück gehabt und warst evtl. schon etwas älter? Was ist mit all den Kindern, denen ganz offensichtlich Angst gemacht wird? Was ist denn davon zu halten? Diese Kirche ist ein Imperium, welches auf Angst gebaut ist, nichts weiter.

*Das Christentum - man kann das auch so sehen - ist der Beginn aller Aufklärung, eine Kultur der Befreiung. Christlichem Denken entsprangen die edelsten Ideen, auch die der Menschenrechte.*

Lassen wir das mal wahr sein, aus Gründen der Freundlichkeit: Bitte wer sind denn die Menschen, die sich für Aufklärung und Menschenrechte eingesetzt haben?

Ich will Namen, los, her mit der frohen Botschaft!

Über Hobbes weiß man z.B.:Nach Veröffentlichung seines Hauptwerks, des Leviathan, wurde er dort wegen dessen angeblichen atheistischen und häretischen Charakters vielfach von Seiten der Kirche, des Adels wie auch von Privatpersonen angefeindet, auch John Locke musste die katholische Kirche fürchten, für Rousseau ist zu bemerken, dass seine Theorien wurden von den Vertretern sowohl der christlichen Kirchen sowie auch von vielen Denkern der Aufklärung abgelehnt wurden, einzig Immanuel Kant könnte man noch bemühen, aber ach, *Nach der Veröffentlichung der Religionsschrift _Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft_ 1793 und 1794 erhielt Kant tatsächlich per Kabinettsorder das Verbot, weiter in diesem Sinne zu veröffentlichen.*

Wie manche wissen, gehören zu den Menschenrechten auch Frauenrechte und ein Schutz von Minderheiten.
Ich finde die Behauptung, das Christentum sei *der Beginn Aufklärung* und der *Ursprung der Menschenrechte* einfach nur zum Abgewöhnen, um es noch sehr höflich auszudrücken.

phlegmatiker hat gesagt…

Ein Dank an Franz für seine „noch freundlich-höfliche“ Kritik. Verständigung setzt ja bekanntlich guten Willen und Respekt voraus.

Jeder macht seine ganz persönlichen Erfahrungen mit der Kirche und ist dann versucht, sie zu verallgemeinern. Verzeihung, aber ich kann eben nicht recht nachvollziehen, dass sich in der heutigen Zeit noch irgendjemand ernstlich vor der Kirche und ihrer Botschaft fürchtet. Wenn ich nicht bloß von mir ausgehe, sondern mich in meinem Verwandten- und Bekanntenkreis umschaue, so sind selbst die getauften Christen und Kirchenmitglieder letztlich praktizierende Atheisten, die von der sogenannten "Drohbotschaft" herzlich unbeeindruckt vor sich hinsündigen; ganz zu schweigen, von denen, die längst aus der Kirche ausgetreten sind. Wenn sie Angst gehabt hätten, dereinst in der Hölle zu schmoren, hätten sie sich wohl nicht einmal auszutreten getraut.

Vielleicht hatte ich nicht einfach nur Glück, sondern Du hast besonderes Pech gehabt? Es würde mich schon interessieren zu hören, welche konkrete persönliche Erfahrung denn Deiner Behauptung zugrunde liegt, die Kirche sei auf Angst gebaut. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich da eher um ein angelesenes, ferngesehenes, aus finstrer Vergangenheit tradiertes Vorurteil handelt, dem kein reales eigenes Erleben entspricht. Zwang, körperliche Züchtigung, die Verbreitung von Angst und Schrecken sind heute jedenfalls nicht der Regelfall katholischer Erziehung. Und die – theologisch unvermeidliche - Rede von Sünde, Schuld und jüngstem Gericht kann der "aufgeklärte" Mensch von heute intellektuell verarbeiten, ohne gleich zu verzagen.

Zum Thema Aufklärung muss man weit ausholen, weiter, als es in diesen paar Bloggerzeilen möglich ist. Hier war zunächst nur auf die absurde und nicht hinreichend begründete Behauptung von D.Trick zu antworten, ausgerechnet das Christentum, die Religion der Nächstenliebe, sei eine „menschenverachtende Ideologie“. Dieser völlig verzerrten Darstellung wird man einen entschiedenen Widerspruch entgegensetzen dürfen, mit dem ebenso lapidaren Hinweis auf den Segen, der aus der lebendigen Verbindung zwischen der Kirche und unserem Volk für die abendländische Kulturwelt floss.

Wenn das Christentum mit "Aufklärung" in Verbindung gebracht wird, mag dies für manche überraschend sein, wo wir doch alle brav in der Schule gelernt haben, dass bis zur Französischen Revolution noch Finsternis und Aberglaube herrschten und das glorreiche Zeitalter der Vernunft und Freiheit erst gegen die Kirche erkämpft werden musste. Zu diesem Missverständnis bei Gelegenheit ausführlicher. Ein nicht ganz unwichtiger christlicher Aufklärer soll schon mal namentlich genannt werden: Jesus von Nazareth. Die Katholische Kirche hat auch etwas mit ihm zu tun.

Anonym hat gesagt…

"Der Schaden der Kirche kommt nicht von ihren Gegnern, sondern von den lauen Christen."
Papst Benedikt XVI., Freiburg, 24.9.2011