Montag, 26. April 2010

Offener Brief an Rosa von Praunheim

Lieber Holger Mischwitzky alias Rosa von Praunheim,

wie ich neulich irgendwo hörte, haben Sie etwas gegen Männer in Frauenkleidern und roten Schühchen. Jetzt bin ich etwas irritiert, denn ich dachte immer, Sie seien schwul und fänden es ganz cool, wenn Männer in Frauenkleidern auf dem Christopher Street Day vom Technowagen Bonbons schmeissen.

Aber wahrscheinlich geht das auf dem CSD noch in Ordnung, weil sich die Drag Queens im Alltag dann beruhigenderweise als normale brave Versicherungsvertreter mit Bausparvertrag, Anzug und Krawatte entpuppen. Schlimm muss man es offenbar finden, wenn manche Leute ihre Kostüme auch im Dienst tragen. Mönche zum Beispiel betrachten ihre Kutten nicht als bloße Verkleidung, sondern als Ausdruck einer ganz anderen, bewusst gewählten und verwirklichten Lebensform. Katholische Geistliche wollen nicht mal eben ein bisschen aus dem Alltag entfliehen, wenn sie die Messe zelebrieren, es geht ihnen da um etwas sehr ernstes, und das wollen sie mit ihrer Kleidung auch nach außen sichtbar machen. Die ist wirklich seltsam, da haben Sie völlig recht. Diese lächerlichen Nonkonformisten, sollen die doch gefälligst Jeans, Turnschuhe und Baseballkäppi anziehen wie Sie und jeder anständige Durchschnittsmensch im 21. Jahrhundert.

Nun tragen diese Subjekte aber nicht einmal richtige Frauenkleider. Stattdessen orientieren sich ihre Kultgewänder an Tunika, Toga und Stola, der Kleidung des antiken Römers. Es heißt, Tunika und Stola seien einst die Kleidung für die Dame und den Herrn gewesen, für alle erwachsenen Menschen sozusagen. Das Outfit der Kleriker steht also jenseits unserer geschlechtsbetonten, gender-spezifischen Mode und wäre eher als metasexuell zu bezeichnen. Na, das ist doch mal was besonderes.

Ein guter Freund von mir meinte, man müsse heutzutage eigentlich den Mut der Männer bewundern, die in roten Schühchen und "Frauenkleidern" zur Arbeit gehen. Als Sie, Herr von Praunheim, neulich im Fernsehen die katholischen Kleriker als verkappte Schwule in Frauenkleidern diffamierten und sich am Beifall von der falschen Seite erfreuten, haben Sie damit doch nur die Ressentiments des Spießbürgers bedient. Als bekennender Schwuler sollten Sie besser nicht mit gedankenlosen Witzchen an das gesunde Volksempfinden appellieren, meinte er. Und (Vorsicht, heiß!): Nicht der Ephebophile sei pervers, sondern die Situation, in der er lebt. Dies zu sagen, haben Sie sich dann natürlich nicht mehr getraut.

Mein Freund ist nicht glücklich damit, wenn die Kirche Homosexualität einfach zur Sünde erklärt. Dass der Vatikan ein Gegner des Irakkriegs war, dass er lange vor der Finanzkrise vor den Auswüchsen eines zügellosen Kapitalismus gewarnt hat, dass der Papst Euthanasie und Eugenik nicht so dufte findet, dass Tausende von katholischen Schwestern sich der Ärmsten in den Ländern Afrikas annehmen, statt sie nur mit Waffen und Kondomen zu versorgen, all das und vieles mehr findet mein Freund dann aber doch nicht so zum Kotzen an der Kirche. Deshalb kriecht er hin und wieder mal aus dem Darkroom ans Tageslicht und guckt, ob es mittlerweile nicht noch andere Problemchen gibt auf der Welt als das der katholischen Sexualmoral.

Nichts für ungut,
Ihr
Michael Karajannis

P.S.: "Eine nicht geringe Anzahl von Männern und Frauen haben tief sitzende homosexuelle Tendenzen. Ihnen ist mit Achtung und Takt zu begegnen. Man hüte sich, sie in irgend einer Weise ungerecht zurückzusetzen. Auch diese Menschen sind berufen, in ihrem Leben den Willen Gottes zu erfüllen", so steht es geschrieben im Katechismus der Katholischen Kirche. Bischof Overbeck hat es leider versäumt, Sie darauf hinzuweisen. Konsequenz aus dem Missbrauchsskandal kann aber nicht sein, dass die Katholische Kirche ihre Lehre nun einfach an die permissive Moral einer hedonistischen Gesellschaft anpasst. Das wäre gegen jede Logik. Schwache Priester und ihre hübschen 14jährigen Ministranten kämen nur vom Regen in die Traufe, Herr von Praunheim! Sie müssen sich schon entscheiden, wogegen Sie sind: Gegen den Missbrauch oder gegen die Moral, die ihm entgegensteht. Soviel zum Thema Verlogenheit. Homosexuelle, die "selber denken", sind in der Katholischen Kirche womöglich immer noch besser aufgehoben als in der Praunheim-Fraktion. Nur ausgerechnet Pfarrer sollten sie nicht werden, wenn sie ihr Triebleben nicht unter Kontrolle kriegen.

1 Kommentar:

Stanislaus hat gesagt…

Das ist mal wirklich ein guter, auf den Punkt gebrachter Brief. Allerdings geht die Forschung inzwischen eher davon aus, daß die liturgische Kleidung der Kleriker eher aus dem jüdischen Tempelkult denn aus dem römischen Heidentum stammt.